Der Termin

Mein Anfang bei der „Lindenstraße“ – Teil II

Wie bewirbt man sich als Autor für die „Lindenstraße“? Besonders, wenn man gerade mal 24 ist und noch nicht so wahnsinnig viele Drehbücher oder sonstwas geschrieben hat. Ich schickte einfach das, was ich im ersten Studienjahr an der Filmakademie Baden-Württemberg erarbeitet hatte – ein Treatment für einen mittellangen Film mit dem Namen „Rosas Reise“. Darin geht es um eine junge Frau, die in einer ostdeutschen Kleinstadt verhindern will, dass die örtliche Rosa-Luxemburg-Statue nach der Wende abgerissen wird. Außerdem legte ich einen (noch recht kurzen) Lebenslauf bei, in dem ich betonte, dass ich zwei Jahre in einer echten Lindenstraße gewohnt hatte – in Köln nämlich. Das schien mir besser als gar nichts.

Im Dezember 1996 kam dann ein Brief von der Geißendörfer Film- und Fernsehproduktion. Diktiert von Hans W. Geißendörfer. Der ging ungefähr so: „Lieber Herr Meisheit, mit dem, was Sie mir da geschickt haben, kann ich zwar nicht allzu viel anfangen, aber es zeigt zumindest, dass Sie Humor haben. Machen Sie doch mal einen Termin mit meiner Sekretärin aus.“ Mehr stand nicht drin. Aber doch, ja, das war ein Grund zu jubeln. Ich hatte schließlich einen Termin mit einem der wichtigsten Produzenten in Deutschland. Oder?

Die Weihnachtszeit war für mich „Lindenstraße“ von oben bis unten. Damals war das Internet noch nicht das, was es heute ist, und meine technische Ausstattung eher bescheiden, so dass ich mir recht aufwendig eine CD-ROM (!) und einen Computer, der sie lesen konnte, besorgen musste,  um die nicht bekannten Jahre der „Lindenstraße“ aufarbeiten zu können. Wohlgemerkt: Als Text! Mehr gab es damals noch nicht. Immer mehr realisierte ich, welch kreative Herkulesaufgabe eine solch langlaufende und komplexe Serie ist – erstmals kam mir der Gedanke, dass Serien und insbesondere die „Lindenstraße“ vielleicht doch nicht zweite Wahl sein sollten für meine Arbeit als Drehbuchautor. Natürlich schaute ich auch alles, was ich an Folgen irgendwo kriegen konnte und meine Freundin impfte mich mit ihrem Wissen über die Serie. Ich wollte auf keinen Fall ahnungslos dastehen bei dem Termin in den heiligen Hallen in Bocklemünd. Als dieser Anfang 1997 kam, war ich bestens vorbereitet. Nur nicht auf das, was kam.

Es war ein Freitag. Und die damalige Sekretärin von Geißendörfer arbeitete freitags nur halbtags. Mit ihr hatte ich den Termin ausgemacht. Empfangen und zum großen Produzenten geleitet wurde ich von keine-Ahnung-von-wem. Da stand ich dann also in dem bekannten winzigen Container-Büro vor Hans W. Geißendörfer und er fragte mich freundlich: „Und? Was wollen Sie hier?“ Er hatte keine Ahnung, wer ich war. Was ich bei ihm wollte. Und wenn er sich an meine Bewerbung erinnert hat, dann hat er es gut überspielt. Er plauderte dann ein wenig mit mir über Gott und die Welt. Ich erinnere mich vor allem an eine Anekdote über eine Aufzugfahrt mit Theo Waigel, der damals noch Finanzminister war. (Ja, SO lange ist das her!) Es ging um alles, nur nicht um die „Lindenstraße“ und mein so fleißig erlerntes Wissen. Ach, doch, er erwähnte noch, dass sie wirklich keine Autoren für die „Lindenstraße“ brauchen. Denn sie haben ja welche. Logisch. Das Gute an dieser völlig unerwarteten Situation war: Ich entspannte mich. Was konnte ich verlieren? Ich plauderte mit. Lächelte nett. Sah mich schon unverrichteter Dinge nach Hause fahren.

Doch das Gespräch war nicht so harmlos, wie ich es dachte. Irgendwie hatte sich mein Gegenüber sehr wohl ein Bild von mir gemacht. Denn plötzlich fragte Geißendörfer, ob ich nicht mal ein Probedrehbuch schreiben möchte. Probedrehbuch? Für die „Lindenstraße“? Bei der keine Autoren gebraucht werden? Das fragte ich natürlich nicht, sondern ich nickte euphorisch. Egal, ob es sinnvoll war oder nicht. Diese Erfahrung würde Gold wert sein! Und sie war tatsächlich auch Geld wert – den man wurde für das Probedrehbuch bezahlt. Was nicht nur außergewöhnlich ungewöhnlich im Fernsehgeschäft ist, sondern auch mein erstes mit Schreiben verdientes Geld sein würde. Und die Aussicht war immerhin, bei Gefallen als Reserveautor fortan in der Hinterhand von Geißendörfer zu leben oder vielleicht mal für eins seiner anderen Projekte in Frage zu kommen. Ich schwebte wie auf einer Wolke aus dem kleinen Büro. Und wartete sehnsüchtig auf den Startschuss für das Probedrehbuch.

(Darüber dann alles in Teil III. Morgen Abend.)

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