Mein Anfang bei der „Lindenstraße“ – Teil IV
Zum besseren Verständnis sollte man erst die anderen drei Teile lesen. Man findet sie unter dem Schlagwort “Anfang“.
Gott sei Dank hatte ich Semesterferien. Zwar sollte ich in denen meinen anstehenden Kurzfilmdreh an der Filmakademie vorbereiten, aber Schlaf wird gemeinhin sowieso überschätzt. Dachte ich zumindest damals – als zweifacher Familienvater würde ich das heute anders sehen. Es ist mir tatsächlich ein Rätsel, wie ich das damals alles parallel geschafft habe. Aber es ging natürlich auch um etwas!
Für die zweite Runde Probedrehbücher der “Lindenstraße” quartierte ich mich in Köln bei meiner Freundin ein, um jede Minute nutzen zu können. Denn ich hatte ein ehrgeiziges Ziel. Eigentlich war es bereits ziemlich viel Arbeit, innerhalb der vorgegebenen Woche, ein Drehbuch zu überarbeiten UND eins neu zu schreiben, aber ich wollte nun auch noch einen Tag früher abgeben. Ich wusste nämlich, dass Geißendörfer am Abgabetag zu einer Reise nach Kalifornien aufbrechen würde. 1997 war Mailen noch etwas sehr exotisches – ich musste die Drehbücher stets in dreifacher Ausfertigung ausgedruckt abgeben. Also war geplant, Geißendörfer die Bücher (mit entsprechender Verzögerung) in irgendein Hotel in den USA zu faxen. Was nicht gerade entspannt klang. Wäre es da nicht netter, dass er die Bücher von mir schon mit auf den Flug bekommt?
Bis heute erzählt Geißendörfer immer wieder, dass ihn damals genau das beeindruckt hat: Ich war schnell! Hinzu kam, dass ich offensichtlich auch gut im Überarbeiten war. Für einen Serienautor sind beides keine unwichtigen Fähigkeiten, die mich auch später noch ein paar Mal „retten“ sollten. Denn meine ersten Drehbuchfassungen hatten gerne mal Mängel. Aber das ist eine andere Geschichte.
Nun arbeitete ich also wie ein Wahnsinniger an den beiden Drehbüchern. Neben der zu überarbeitenden Folge 627, musste ich auch Folge 628 schreiben. Darin verprügelt der großartige Egon Kling seinen eigenen Sohn, als er die Wahrheit über Marys Abschiebung erfährt. Mit Ringen unter den Augen brachte ich die fertigen Drehbücher – dreifach ausgedruckt – höchstpersönlich nach Bocklemünd, wo sie dem Meister in sein Handgepäck gelegt wurden. Puh!
Dann begann die Zeit des Wartens. Geißendörfer war nun erst einmal einige Wochen in den USA unterwegs. Es konnte also dauern. Und es gab hatte genügend andere Sachen zu tun, die ich hatte stehen und liegen lassen. So rechnete ich noch gar nicht mit DEM Anruf, als nach wenigen Tagen sehr früh morgens das Telefon klingelte. Ich schlief noch und ging nicht dran. Im Halbschlaf hörte ich eine tiefe, grummelige Stimme, die auf den Anrufbeantworter sprach. War das etwa … ? Kann es sein, dass … ? Ich eilte zu dem Gerät und spielte die Nachricht sofort ab. Sie begann mit: „Das ist jetzt der Anruf aus Hollywood …“ Und das war kein Witz. Geißendörfer war just an diesem Tag tatsächlich in Hollywood. So werden Träume wahr.
Die Nachricht auf dem AB sollte mein Leben nachhaltig verändern, wie kaum ein Ereignis davor und nur wenige später es getan haben. Ich lief voll Adrenalin gepumpt wie ein kleines Kind freudig auf und ab und hörte immer wieder Geißendörfers Bitte, mich doch bei der Produktion in Köln zu melden, um „über meinen Vertrag zu verhandeln“. Damit konnten dann meine „ein oder zwei Jahre“ bei der „Lindenstraße“ beginnen …
Man ein Traum, wahnsinn – was kann einem besseres passieren 🙂
Und wie man sieht, freue ich mich auch 15 Jahre später noch darüber. 🙂