Mittlerweile ist die Seite „Fragen? Fragen!“ zur am häufigsten aufgerufenen Einzelseite dieses Blogs geworden. Grund genug endlich mal wieder einige Fragen von den Lesern zu beantworten:
Wenn ihr aktualisiert, dann in letzter Zeit ja sehr häufig mit einer völlig neu gedrehten Szene. Habt ihr dann schon beim Schreiben im Kopf, welche alte Szene dann von vornherein der Aktualisierung zum Opfer fallen wird, bzw. am ehesten könnte!
Es wird in der Regel immer kurzfristig entschieden, welche Szene wir bei der „Lindenstraße“ für die Aktualisierung nehmen – also welche Szene mit einem aktuellen Thema versehen neu geschrieben und neu gedreht wird. Kurzfristig heißt am Montag der Woche, in der die Folge sonntags ausgestrahlt wird. Am Dienstag wird die Szene dann meistens geschrieben, Mittwoch oder manchmal auch Donnerstag gedreht.
Aus zwei Gründen geht das nur so kurzfristig: Zum Einen sollte das aktuelle Thema einigermaßen zu den Figuren passen, die in der Szene vorkommen. Das weiß man natürlich erst, wenn man das Thema hat. Entscheidender ist aber noch, dass die entsprechenden Schauspieler greifbar sein müssen und auch der Schauplatz, an dem gedreht wird. Wir befinden uns dann schließlich ca. drei Monate nach der eigentlichen Drehzeit dieser Folge und dann kann ein Schauplatzmotiv schon einmal ganz anders aussehen oder gar nicht mehr da sein …
Es ist aber in der Regel so, dass durch das Aktualisieren keine ursprüngliche Szene verloren geht. Wenn es nicht sowieso eine zusätzliche Szene ist (weil wir noch etwas Platz in der Folge hatte), dann wird meistens eine vorhandene Szene inhaltlich etwas abgeändert und neu gedreht.
Du standest ja auch schon vor vielen Jahren, zusammen mit Joachim Friedmann, in einer kleinen Rolle für die Lindenstraße vor der Kamera. Reizt es Dich generell manchmal Dir auch die ein oder andere kleine Rolle ins Drehbuch zu schreiben?
Wie man auch damals in der Folge 761 sehen konnte, hält sich mein schauspielerisches Talent in Grenzen. Das war zwar ein großer Spaß, aber ich bin tatsächlich einfach zu aufgeregt. Als Statist würde ich vielleicht mal wieder durchs Bild huschen, aber da ich meistens nur zu intensiven Arbeitstagen in Köln bin, reicht dafür die Zeit eher nicht.
Wie und wann entstehen eigentlich die Folgentitel der einzelnen “Lindenstraße”-Episoden? Immer erst nachdem das jeweilige Drehbuch fertig ist? Hast Du als Autor freie Hand beim Folgentitel oder musst Du ihn auch von Deinen Autorenkollegen und von Hans W. Geißendörfer “absegnen” lassen? Früher war es oftmals so, dass der Folgentitel so gewählt war, dass er nicht nur auf einen, sondern meist auf zwei, im Idealfall sogar auf alle drei in der Folge erzählten Handlungsstränge passte. Dabei musste man manchmal ganz schön um die Ecke denken, aber das hat mir immer sehr gefallen. Ich würde mich deshalb freuen, wenn ihr diese Tradition wieder aufleben lassen würdet.
Die Folgentitel bei der „Lindenstraße“ legt jeder Autor für seine Folgen selbst fest. Ich mache das meistens am Ende der Arbeit an der Folge – wobei sich manchmal auch schon während des Schreibens Begriffe „aufdrängen“. Theoretisch haben wir dabei völlig freie Hand, mit der „kleinen“ Einschränkung, dass kein Titel gewählt werden darf, den es schon gegeben hat. Bei über 1400 Folgen macht es das natürlich nicht ganz so einfach.
Und es erklärt vielleicht auch ein wenig, warum ich kein großer Freund der früheren Tradition bin, mit einem Titel Bezug zu allen Strängen zu nehmen. Wenn man wie im ersten Jahr Folgen „Mutterliebe“, „Geld“ oder „Ein Unglück kommt selten allein“ nennen kann, ist es etwas einfacher, viele Handlungen damit abzudecken. Manchmal findet man auch heute noch etwas auf alle Stränge passendes. Aber mir gefällt es mehr, prägnante Begriffe aus der Folge zu nehmen, so dass man sich leichter an die Folge erinnern kann, wenn man den Titel hört. So hießen einige meiner letzten ausgestrahlten Folgen zum Beispiel „Thomas Müller“, „Die Schlange“ oder „Flashmob“. Das müsste bei regelmäßigen Zuschauern Erinnerungen auslösen, oder?
Warum gibt es in der Serie keine Charaktere mehr ,die Haustiere haben? Eine ganze Straße ohne Hundehalter entspricht ja wohl nicht dem selbstgestellten Realitätsanspruch.
Die Antwort ist so einfach wie sie unbefriedigend ist: Mit Tieren zu drehen ist ein sehr, sehr großer Aufwand, den man sich bei einem recht engem Zeitplan wie dem der „Lindenstraße“ (im Vergleich zu Filmen) kaum leisten kann. Und es geht bei einer lang laufenden Serie ja nicht nur darum, dass man für die entsprechenden Szenen ein „funktionierendes“ Tier benötigt, es muss auch jemand das Tier außerhalb des Drehs betreuen. Schon alleine die Fische, die jahrelang bei den Zenkers in der Wohnung standen, waren ein echte Herausforderung in Drehfreien Zeiten und ähnlichem. Dazu kommt halt die Unberechenbarkeit beim Dreh – selbst bei trainierten Hunden – so dass wir Autoren eindringlich gebeten wurden, Handlungen mit Tieren sehr zu limitieren.
Lassen sich die Autoren auch von ausländischen Serials (insbes. Coronation Street) inspirieren oder sind die dortigen Verhältnisse nicht auf Deutschland übertragbar?
Als Autor lässt man sich eigentlich von allem inspirieren, was man selbst schaut. In meinem Fall sind das derzeit eher amerikanische Serien wie „Breaking Bad“, „How I met your mother“ oder „Mad Men“, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Wobei natürlich hier die Verhältnisse noch viel weniger „übertragbar“ sind. Aber es kann ja auch gar nicht darum gehen, Handlungen aus anderen Serien Eins-zu-Eins zu übernehmen. Es geht eher darum, dass man mal ein Thema interessant findet, eine Konstellation oder vielleicht auch nur eine Kleinigkeit. Zum Beispiel war ich damals von der Echtzeitfolge bei „Friends“ beeindruckt, als ich vorschlug, dass wir mit Folge 909 dasselbe machen. Die Handlungen sind natürlich trotzdem komplett anders.
Die „Coronation Street“ hat zwar die Erschaffung der „Lindenstraße“ beeinflusst, aber ich selbst hab sie höchstens zwei oder drei Mal bei England-Besuchen gesehen. Sie ist entsprechend bei unseren Plotentwicklungen eigentlich nie Thema. Ich war allerdings gerade im letzten Jahr wieder in London, so dass tatsächlich bald etwas zu sehen sein wird, das ganz entfernt von der Mutter aller Soaps beeinflusst wurde …
Damit sind aus meiner Sicht erst einmal alle Fragen beantwortet. Ich freue mich auf weitere Fragen. Auch sehr gerne zu meiner Arbeit außerhalb der „Lindenstraße“ bzw. zur Arbeit eines Drehbuchautors allgemein.
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