Ich falle mir jetzt mal selbst in den Rücken. Es geht um die sogenannten Rezensionen, die das eigene Werk bei amazon bekommt. Es ist ein bekanntes Phänomen, dass man als Autor viel zu sehr auf diese Bewertungen schaut. Besonders auf die schlechten. Während einem eine schöne Vier- oder Fünf-Sterne-Bewertung gerade mal für fünf Sekunden ein Lächeln abringt und vielleicht noch zu einer Verlinkung auf Facebook führt, grübelt man über alles darunter gerne mal mehrere Stunden. Schnell kommt es zu Verschwörungstheorien („Das war doch sicher ein neidischer Autorenkollege!“) oder zu Leserbeleidigungen im stillen Kämmerlein („Der kann ja selbst nicht mal drei Sätze ohne Fehler schreiben!“). So oder so sieht man sich schon am Ende jeglicher Verkaufscharts, weil man dank des Neiders/Idioten ja nicht mehr den Fünf-Sterne-Schnitt halten konnte.
Mein neues Buch „Nicht von dieser Welt“ hat mich ein wenig von dieser Autorenkrankheit geheilt. Ich habe nämlich zwei Sachen gelernt:
1. Fakes sind die Ausnahme
Es mag sein, dass es irgendwo wirklich böse Kollegen gibt, die Konkurrenten runterwerten und mit einem Schwarm an gefakten Accounts sich selbst in den Sternenhimmel klicken. Es wird darüber aber aus meiner Sicht weit mehr spekuliert und diskutiert, als es wirklich der Fall ist. Bei meiner ersten differenzierten bösen Kritik, dachte ich auch: „Ah, da ist so ein böser Kollege!“ Der Account hatte tatsächlich kaum andere Bewertungen abgegeben, war mit viel zu vielen „Fachbegriffen“ gespickt und noch dazu teilweise beleidigend. Klarer Fall. Zwei Tage später erhielt ich eine Mail von einer Dame aus Österreich, die sich als Urheberin dieser Bewertung outete und mir schrieb, weil ihr ihre Kritik wirklich ein Anliegen war. Sie war der Meinung, ich würde mein Potential verschenken, entschuldigte sich sogar für die beleidigenden Formulierungen und wir hatten einen netten Mailwechsel. Also war es nichts mit dem neidischen Kollegen. Und wenn man ehrlich ist: Man bekommt doch mindestens genauso viele knappe, letztlich nichts sagende Jubelbewertungen von Leuten, die sonst nur Radiowecker und Grillanzünder bewerten, wie man knappe, nichts sagende vernichtende Bewertungen bekommt von wenig bis gar nicht aktiven Leuten. Also warum sollen gerade die negativen gefakt sein?
2. So wichtig sind Amazon-Bewertungen auch wieder nicht
Mein Roman „Soap“ hat derzeit einen Schnitt von 4,7 Sternen bei 52 „Rezensionen“. Keine einzige Ein-Sterne-Bewertung ist dabei. Das ist verglichen mit anderen Büchern sehr gut. Trotz massiver und durchaus erfolgreicher Werbeaktionen gibt es nur wenige Verkäufe und die sinken nun auch wieder stetig.
„Nicht von dieser Welt“ dagegen hat derzeit einen Schnitt von 3,8 Sternen bei 62 „Rezensionen“. Und gleich zehn Ein-Sterne-Bewertungen. Auch wenn ich glaube, dass genau vor zwei Wochen ein Schwung negativer Bewertungen am Stück ein Faktor für sinkende Verkaufszahlen waren: Seit zwei Wochen hält sich das Buch mit diesem doch eher schlechten Schnitt in der Top Ten und verkauft wie blöd.
Die Sterne sind ein Faktor, die Kritikpunkte in den Bewertungen selbst sicher auch, aber ehrlich gesagt sind sie auch nur EIN Faktor. Und kein riesig großer. Cover, Autor, Titel, Klappentext, Preis, Sichtbarkeit – das liegt alles noch weit davor. Und manchmal denke ich auch, dass so ein paar richtig emotionale böse Kritiken am Ende nur noch mehr Leute neugierig machen …
So, jetzt kommt aber noch das ABER. Was ICH nicht verstehe: Wieso lesen eigentlich so wenige Leser die Leseprobe? Die ist doch gerade bei Amazon ganz einfach zu finden. Man kann sie sich sogar kostenlos mit einem Klick auf den Kindle holen! Natürlich sollte ich eigentlich meinen Mund halten, denn ich hätte wahrscheinlich einiges weniger von „Nicht von dieser Welt“ verkauft, wenn alle die Leseprobe gelesen hätte. Aber dennoch rätsle ich über den Masochismus (oder ist Faulheit? Oder Freude am Aufregen?) mancher Leser, ein Buch zu kaufen und nach zehn Seiten in die Ecke zu schmeißen, weil man damit nichts anfangen kann. Das hätte man doch leicht verhindern können.
Deswegen träume ich als Autor manchmal von einer idealen Welt, in der die Leser ein Buch nur nach seinem Inhalt auswählen. Dass die Kaufentscheidung einzig und allein von einem Blick in das Buch beeinflusst wird. Man liest ein oder zwei Kapitel und wenn’s einen packt, dann wird das Ding gekauft. Wenn nicht, dann schaut man sich das nächste an. Denn auch als Autor will ich doch eigentlich, dass nur die Leute mein Buch lesen, denen es auch Spaß macht. Ich will niemandem die Zeit stehlen oder schlechte Laune machen.
Die gute Nachricht ist: So etwas kann man nun! Es gibt von Johannes zum Winkel nun die Seite xtme:lesen, wo man „Blind Dates“ mit Büchern haben kann. Es wird nur ein Textauszug gezeigt. Sonst nichts. Man kann noch ein Genre auswählen, wenn man möchte, aber man kann sich einfach auch den ganzen Tag „anonym“ Texte zeigen lassen und bei Gefallen auf den einzigen vorhandenen Link klicken, der einen dann zum Kauf des Buches führt. Die Seite – basierend auf dem amerikanischen Vorbild „no Names, no jackets“ – wird zwar in absehbarer Zeit als Entscheidungshilfe nicht Amazon und seine komischen Sterne ablösen, aber als Autor macht sie mir schon einmal eine Menge Spaß …
Die Seite mit den “Blind Dates” war ein toller Tipp! Und was die Leseproben angeht – ich versteh’s auch nicht, was mancher da treibt. Schlechte Rezensionen sind das eine, zurückgegebene Exemplare bei Kindle das andere. Auch das ließe sich meiner Meinung nach vermeiden. Also – ich mag Deine Bücher. Punkt. 🙂 Weiterhin viel Erfolg!
Danke! 🙂
Du hast recht: die amazon Rezensionen sind auch nicht ALLES!
Ich habe die Rezension von der Dame auch gelesen und bin trotzdem der Meinung, dass man diese mit freundlicheren Worten hätte schreiben können. Vorallem: wenn die Dame der Meinung ist, dass du dein Potential verschwendest, warum schreibt sie das dann nicht in der Rezension? Für mich macht noch immer der Ton die Musik. Und diese war doch mit reichlich Missklängen gespickt.
Ich drücke dir trotzdem weiter die Daumen!
Liebe Grüße!
Yvonne
Deswegen hat sie mir ja noch einmal gemailt. Hatte ich auch noch nicht, dass sich auf diese Art jemand “Sorgen um mich” macht … 🙂
Hallo Michael,
ich gestehe: ich verfolge die Rezensionen die Vanessa bekommt. Und ich ärger mich auch über die schlechten und frage mich, ob man das nicht in freundlichere Worte hätte hüllen können. Denn im Prinzip ist ja nix passiert außer, dass es nicht den Geschmack/Humor des Lesers getroffen hat. Und da Menschen sehr verschieden sind, ist das nicht verwunderlich. Aber: Bevor ich ein Buch kaufe, lese ich ausschließlich die schlechten Rezensionen. In den guten steht ja immer das gleiche. Und an der Art und Weise wie diese geschrieben, formuliert oder was auch immer sind, und was sie kritisieren, bildet sich in mir ein Gefühl, das mir sagt, dass ich das Buch unbedingt lesen will oder besser die Finger davon lasse. Bisher hat es immer funktioniert 😉
Viele Grüße!
Ja, ein wenig hoffe ich tatsächlich, dass diese teilweise aggressiven Reaktion die “richtigen” Leute eher neugierig machen …
Das mit den Leseproben ist so eine Sache. Als ich noch auf dem Kindle las, war das kein Problem. Auf meinem IPad aber kommen die Biester einfach nicht an. Was mich selbst ärgert, denn ich habe mir immer Leseproben gezogen. Geht nicht mehr. Warum auch immer … egal.
Nun les ich ins “Klick ins Buch” rein, aber da ich am PC nicht wirklich gut lesen kann – Augenfehler – nur die ersten zwei Seiten.
Bin ich auch schon auf die Nase gefallen. Keine Frage.
Aber es liegt auch an der Rezensionsmentalität. Muss ich ein ganzes Buch mies reden, nur weil es nicht meinem Geschmack entspricht, wenn das Handwerk gut ist?
Ne. Und gerade bei selbstvermarkteten Büchern, läuft es bei mir bei sowas auf (wenn die Story eben nichts für mich war) auf drei Sterne raus. Kann der Autor (so er zumindest sein Handwerk gut versteht) doch nichts für, dass mich die Geschichte nicht anspricht.
Dass es auf dem iPad nicht funktioniert, ist immer mal eine Erklärung – zumal immer mehr Leute Kindle-Bücher nicht auf dem Kindle lesen. Aber trotzdem wäre es natürlich schön, wenn alle bei einem Fehlgriff dann so wie Du verfahren würden …
Das kann man aber nicht verallgemeinern. Ich habe auch ein iPad und keinen Kindle und bei mir kommen Leseproben an.
Sicher geht es nicht allen so, wie mir. Wahrscheinlich bin ich da auch in der absoluten Minderheit. Worauf ich hinaus wollte, ist aber auch eher die Rezensionsmentalität im Allgemeinen. In meinen Augen das größere Problem, als das Nichtlesen von Leseproben. Man ist am Ende nur vor einem totalen Reinfall gefeit, nicht jedoch vor einem Buch, das einem anfänglich gefällt, aber am Ende doch enttäuscht.