Wer die Wahl hat …

Die meisten Leute finden es ja kurios, dass wir bei der „Lindenstraße“ am Abend der Bundestagswahl tatsächlich immer passend zum Ausgang der Wahl die Figuren diskutieren lassen. Wenn es ab 18 Uhr erste Hochrechnungen gibt, aber um 18:50 (oder meist etwas später) unsere Sendung kommt, ist das alles schon eingebaut. Auch die Wahlergebnisse, die unsere Lindensträßler in ihrem Fernseher betrachten, gleichen denen, die der Fernsehzuschauer kurz vorher in der Wahlsendung gesehen hat.

„Wie macht Ihr das?“ hör ich dazu immer wieder. Dabei ist DAS eigentlich der einfache Teil. Wir drehen halt mehrere Szenen – für jedes mögliche Szenario eine. Und das Reinschneiden der Wahlergebnisse? Technisch kein Problem. Es wird ein leerer Fernseher abgefilmt und das reale Ergebnis später reingestanzt. (Inhaltlich kann es allerdings auch mal tückisch werde – dazu später mehr.) Das eigentliche Problem für mich als Autor ist jedoch: woher weiß ich eineinhalb Jahre im Voraus, in welcher Woche die Wahl sein wird? Genau damit schlage ich mich zur Zeit herum. Gestern habe ich nämlich mit dem Schreiben der Wahlfolge für 2013 begonnen. Und es steht noch längst nicht fest, wann die Wahl sein wird. Heute will ich aber erst einmal ein wenig zurückschauen auf die Wahlfolgen, die ich selbst schon als Autor miterleben durfte.

Es begann direkt bei meiner ersten Storylinesitzung im Frühjahr 1997, bei der es die Bundestagswahl 1998 zu plotten galt. Damals haben wir die berühmte Wählt-Gung-Kampagne ersonnen. Eine der ersten Ideen der neuen Autorenrunde, die von der Möglichkeit, bei der „Lindenstraße“ mit Realität und Fiktion zu spielen, sehr fasziniert war. Und das Anliegen hatte, die nichtssagende Wahlwerbung vieler Parteien auf die Schippe zu nehmen. Die Handlung in der Wahlfolge 669 war dann auch eher nebensächlich. Ich weiß noch, wie stolz mein Autorenkollege Joachim Friedmann und ich waren, als wir damals in Berlin „echte“ Wählt-Gung-Plakate an Litfaßsäulen gesehen haben. Natürlich zierte eins davon auch für lange Zeit unsere WG. Bei der Wahl selbst wurde nach gefühlten hundert Jahren Kanzlerschaft Helmut Kohl abgewählt, was ich zwar nur SEHR indirekt als Erfolg unserer Kampagne verbuche – dennoch war es eine denkwürdige Bundestagswahl!

Noch denkwürdiger in Sachen „Lindenstraße“ war allerdings für mich persönlich die Wahl 2002. Nicht nur, weil ich zum ersten Mal selbst die Wahlfolge 877 geschrieben habe – mit dem Titel „Der Demokrat“ (und einem eher heiteren Strang mit Hans Beimer als Wahlhelfer). Sondern vor allem, weil ich live im WDR-Studio dabei war, als die Wahlergebnisse in die Folge geschnitten wurden. Das war nicht nur technisch interessant, sondern vor allem unfassbar spannend. Ich weiß nicht, ob sich alle noch an die Wahl 2002 erinnern: Noch am Wahlabend ging Edmund Stoiber davon aus, dass er die Wahl gewonnen hatte. Doch in der Nacht wurde Gerhard Schröder zum offiziellen Gewinner. Entsprechend knapp war die ganze Angelegenheit. Tatsächlich hatte Schwarz-Gelb in ersten Hochrechnungen vorne gelegen. Unsere Sendung sollte damals um 21 Uhr laufen und gegen 19:30, als wir die endgültige Entscheidung treffen mussten, welche Szenen-Variante wir nehmen, widersprachen sich die Hochrechnungen der einzelnen Fernsehsender. Eine völlig neue Situation. Eine Szene, in der der Wahlausgang ungewiss war, gab es nicht. Wir setzten auf Schröder und lagen damit richtig. Unserem flinken Cutter gelang es sogar noch, als Satz unter unseren Schlusstiteln Schröders „Mehrheit ist Mehrheit“ zu mischen. Selten war es so aufregend, die „Lindenstraße“ zu gucken wie an diesem Abend.

Bei der nächsten Wahl gab es dagegen ein ganz anderes, massives Problem: Sie fand ein Jahr früher statt als geplant. Wir hatten bereits eine Geschichte für die Wahl im Herbst 2006 geplottet, als Gerhard Schröder auf die glorreiche Idee von vorgezogenen Neuwahlen kam. Sie sollte nun plötzlich im Herbst 2005 stattfinden, also in einer Folge, die ich nicht nur bereits geschrieben hatte, sondern die auch noch kurz vor dem Dreh stand. Es ging um die Folge 1033 („Altweibersommer“), in der nun noch nachträglich die Wahl reingewurstet werden musste. Eine undankbare Aufgabe, insbesondere wenn der Platz nicht eingeplant ist und die vorhandenen starken emotionalen Geschichten nicht allzu sehr beschnitten werden können. Hinzu kommt, dass Wahlfolgen anders als normale Folgen immer an einem Sonntag spielen, also die gesamte Handlung von einem Wochentag auf einen Sonntag verändert werden musste – was einiges durcheinander wirbelt. Leute, die bei der Arbeit sind, sind nun zu Hause. Geschäfte haben nicht geöffnet usw. Und für all diese notwendigen Änderungen blieben nur wenige Tage Zeit. Entsprechend unglücklich war ich mit dem Endergebnis.

Viel zufriedener war ich dann wiederum vier Jahre später, als wir bei der Wahl 2009 erstmals das Schicksal einer Figur direkt mit dem Wahlergebnis verknüpft haben. Indem Klaus Beimer einen kritischen Artikel über die fiktive Bundestags-Kandidatin Kerner schreibt, beeinflusst er das Wahlergebnis im entsprechenden Wahlkreis – die Kandidatin verliert seinetwegen. Auch hier spielten wir also wieder ein wenig mit Realität und Fiktion. Für meine entsprechende Folge 1243 („Matthias Steinbrück“) bastelten wir uns sogar einen eigenen Videotext mit dem Ergebnis des Wahlkreis „Müchen II“ – den es natürlich gar nicht gibt. Und auch ein altes Wählt-Gung-Plakat fand den Weg in die Folge. Der Kreis schloss sich.

Und jetzt also 2013. Die Geschichte dafür steht natürlich längst. Aber wie es scheint, ist der Termin noch Gegenstand von diversen Diskussionen und wird so schnell nicht genau festgelegt. Mein Pech. Aber auch DAS werden wir irgendwie in den Griff bekommen …

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