Ich bin ja ein Mensch, der sehr gerne schläft. Früher war mir das gar nicht so bewusst. Es war auch nie ein besonderes Problem. Der Beruf des Drehbuchautors bringt es mit sich, dass man sich seine Arbeitszeit meistens frei einteilen kann. Geht man mal etwas später ins Bett, schläft man halt etwas länger und arbeitet dafür vielleicht dass Wochenende durch. Schlafen war für mich immer eine Selbstverständlichkeit.
Das änderte sich schlagartig vor gut drei Jahren mit der Ankunft des ersten Kindes. Kinder stellen vieles auf den Kopf, aber kaum etwas erfährt eine so fundamentale Veränderung wie das eigene Schlafverhalten. Wobei „Verhalten“ das falsche Wort ist. Denn man hat gar keine Wahl mehr, man KANN sich nicht verhalten. Man ist nämlich vom ersten Tag in der Defensive, immer auf der Suche nach der einen kleinen Stunde Schlaf, die man sich doch wirklich jetzt endlich einmal verdient hat.
Wir haben als Erstgeborenen auch sofort ein Kind bekommen, das GANZ eigene Vorstellungen hatten bzw. Drei-Monats-Koliken. Das bedeutete: Einschlafen grundsätzlich nur auf dem Arm (herumlaufend!) oder im Kinderwagen. Am Besten sowieso schlafen auf Mamis oder Papas Brust. Wenn man dazu noch die Unerfahrenheit von jungen Eltern nimmt, die bei jedem nächtlichen Geräusch des Kindes den Erstickungstod nahen sehen, kann man sich vorstellen, wieviele Stunden wir gerade im ersten Jahr geschlafen haben. Monate verbrachten wir jenseits eines Tag-Nacht-Rhythmus’ mit selten mehr als zwei Stunden Schlaf am Stück. Nie zuvor konnte ich so schnell einschlafen, manchmal einfach nur, indem ich mich mitten am Tag auf unsere Couch setzte. Trotzdem habe ich diese Zeit positiv in Erinnerung, als unglaublich intensiv und nah, eine emotionale Keimzelle für ein Wahnsinns-Familiengefühl. Nachts um drei meiner Frau Obst schnibbeln, weil sie vom Stillen ausgetrocknet war. Nächtliche Spaziergänge bis er endlich einschlief. Endlose Runden durch die Wohnung immer vorbei am Spiegel, um zu sehen, ob die Äugelein zugefallen waren. Ich hab zwei komplette Staffeln von „24“ morgens ab halb Sechs im Licht der aufgehenden Sonne mit dem Sohn auf der Brust geschaut. Er schlafend, ich mit Kopfhörer. Ich glaub, er mochte die vierte Staffel lieber als die fünfte.
Aber natürlich geht das vorbei. Es wird einfacher. Es wird irgendwann sogar gut. Er schlief dann in seinem eigenen Bett, in seinem eigenen Zimmer und irgendwann verstummten auch die nächtlichen Rufe nach Wasser, Küssen oder Kissen. Ja, er schläft seit einigen Monaten ganz alleine durch. Wie ein normaler Mensch. Und was machen wir? Ein zweites Kind!
Unsere Tochter hat zwar keine Koliken, ist generell etwas einfacher, was Mädchen öfters mal sind. Und auch wir sind deutlich entspannter, weil erfahrener. Doch an den Nächten hat das nicht so wahnsinnig viel geändert. Auch dieses Kind wacht gerne mal um vier Uhr auf, ist hellwach und versteht beim besten Willen nicht, warum alle so bräsig rumliegen und nicht mit ihm spielen wollen. Und selbst wenn sie schläft, bedeutet das nicht unbedingt, dass man seine Ruhe hat. Ich habe in den letzten Jahren tatsächlich gelernt, wie man auf zwanzig Zentimeter Bett schläft ohne rauszufallen. Dazu gibt es auf der Seite howtobeadad.com eine wunderbare Illustration. Alle Eltern werden dieses „Baby-Kamasutra“ kennen:
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Zur Zeit wird unsere Tochter aus dem elterlichen Bett verbannt. Und ich danke meinem Schöpfer für die Storylinesitzung. Früher war diese Sitzung, auf der von den Autoren die Zukunft der „Lindenstraße“ festgelegt wird, für mich immer das Anstrengendste, was es überhaupt gab. Wir arbeiten zwei Wochen jeden Tag mindestens zehn Stunden am Stück hochkonzentriert ohne Wochenende. Ein wahnsinnig toller kreativer Prozess, nachdem ich früher immer sehr ausgelaugt nach Hause kam und erst einmal ein Wochenende durchgeschlafen habe. Heute sind diese zwei Wochen für mich wie Urlaub. Natürlich ist es tagsüber immer noch sehr anstrengend, aber das ist unerheblich, denn ich kann 14 Nächte lang mindestens acht Stunden schlafen! Am Stück. In einem riesigen Bett ganz alleine! Wahnsinn!
Einmal – mein Sohn muss ungefähr ein Jahr alt gewesen sein, denn er saß im Kinderwagen schon nach vorne ausgerichtet – irrte ich wieder einmal durch die Straßen mit dem innigen Wunsch, er möge bald einschlafen. Ein graumelierter Anzugträger kam mir entgegen. Er sah mich, er sah den Kinderwagen, warf im Vorbeigehen einen Blick hinein, lächelte mich an und sagte „Schläft“. Dann ging er weiter. Sein mitfühlender Tonfall bei diesem einen Wort signalisierte den Kenner. Man konnte die Jahre heraushören, die er selbst in dieser Lage verbracht hatte. Und man konnte sehen, dass er es geschafft hatte. SEINE Kinder schliefen garantiert durch, wahrscheinlich nicht einmal mehr in seinem Haus. Er wirkte glücklich und befreit, ja, aber auch ein ganz klein bisschen sentimental …